Vorfälligkeitsentschädigung beim Verkauf finanzierter Immobilien: So vermeiden Sie unnötige Kosten

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Wenn Sie eine finanzierte Immobilie verkaufen, steht Ihnen nicht nur der Kaufpreis zur Verfügung - sondern auch eine unerwartete Rechnung: die Vorfälligkeitsentschädigung. Viele Eigentümer sind überrascht, wenn die Bank plötzlich mehrere tausend Euro verlangt, weil sie den Kredit vor Ablauf der Zinsbindung zurückzahlen. Doch diese Entschädigung ist nicht immer gerechtfertigt - und oft sogar zu hoch berechnet. In diesem Artikel erklären wir, wann sie fällig wird, wie sie berechnet wird, wie Sie sie reduzieren oder ganz vermeiden können - und warum viele Banken hier einfach zu viel verlangen.

Was ist eine Vorfälligkeitsentschädigung?

Die Vorfälligkeitsentschädigung ist ein Ausgleich, den Sie an Ihre Bank zahlen müssen, wenn Sie ein Immobiliendarlehen vorzeitig ablösen - zum Beispiel, weil Sie die Immobilie verkaufen. Sie entsteht, weil die Bank Zinsen verliert, die sie eigentlich bis zum Ende der Zinsbindung eingenommen hätte. Rechtlich gesehen ist das in § 490 Abs. 2 BGB geregelt. Die Bank darf also einen Schadensersatz verlangen, aber nur, wenn sie tatsächlich einen Verlust hat. Das ist der entscheidende Punkt: Es geht nicht um einen pauschalen Gewinn, sondern um einen nachweisbaren Schaden.

Ein Beispiel: Sie haben vor fünf Jahren einen Kredit mit 1 % Zinsen aufgenommen. Heute liegen die Marktzinsen bei 3,8 %. Die Bank könnte das Geld nicht mehr so günstig weiterverleihen. Deshalb verlangt sie einen Ausgleich. Aber: Wenn die Zinsen gesunken wären, wäre die Entschädigung oft null - oder sogar negativ. Die Bank muss also beweisen, dass sie durch Ihre vorzeitige Rückzahlung tatsächlich weniger verdient.

Wie wird die Vorfälligkeitsentschädigung berechnet?

Die Berechnung ist komplex, aber nicht geheim. Die Deutsche Bundesbank hat ein standardisiertes Verfahren festgelegt. Für die genaue Höhe brauchen Sie diese Daten:

  • Restschuld zum Ablösetermin
  • Vereinbarter Zinssatz des Kredits
  • Aktueller Marktzins für ähnliche Kredite
  • Verbleibende Laufzeit der Zinsbindung
  • Monatsrate und Tilgungsplan

Die Formel lautet grob: Differenz zwischen altem und neuem Zins × Restschuld × verbleibende Jahre. Aber Achtung: Nicht alle Banken rechnen korrekt. Ein konkretes Beispiel: Paul hat 2021 einen Kredit von 500.000 Euro mit 1 % Zins und 15-jähriger Bindung aufgenommen. 2026 will er verkaufen. Die Restschuld beträgt noch 420.000 Euro. Der aktuelle Marktzins liegt bei 3,8 %. Die Bank berechnet die Differenz von 2,8 Prozentpunkten. Multipliziert mit 420.000 Euro und 9 Jahren Restlaufzeit ergibt das etwa 105.840 Euro - das ist der theoretische Schaden. Aber: Die Bank muss nicht den gesamten Betrag verlangen. Sie muss nur den tatsächlichen Verlust berechnen - also wie viel sie tatsächlich durch Refinanzierung verliert. Viele Banken ignorieren das und rechnen zu hoch.

Ein Fall aus der Praxis: Ein Kunde aus Lüneburg hatte 350.000 Euro Restschuld und 8 Jahre Zinsbindung übrig. Die Bank verlangte 28.500 Euro - das sind 8,14 % der Restschuld. Ein unabhängiger Gutachter prüfte die Berechnung und stellte fest: Der tatsächliche Schaden lag bei 14.200 Euro. Die Bank hatte über 14.000 Euro zu viel verlangt. Solche Fälle sind keine Ausnahme - laut einer Studie des Fachverbands Deutscher Hypothekenbanken (FDH) wurden 23 % der berechneten Entschädigungen zu hoch angesetzt.

Wann fällt die Vorfälligkeitsentschädigung nicht an?

Nicht jeder Verkauf führt zu einer Entschädigung. Es gibt klare Ausnahmen:

  • Nach 10 Jahren Zinsbindung: Nach § 489 BGB können Sie Ihr Darlehen jederzeit mit sechs Monaten Kündigungsfrist ablösen - ohne Entschädigung. Das ist Ihr wichtigstes Recht.
  • In den ersten sechs Monaten nach Kreditauszahlung: Hier gilt eine sogenannte „Kündigungsfrist“ - Sie können den Kredit ohne Strafe beenden.
  • Bei Sondertilgungen bis 5 % pro Jahr: Wenn Ihr Vertrag Sondertilgungsrechte von 5 % pro Jahr enthält, können Sie damit die Restschuld senken - und so die Entschädigung reduzieren. Nur 37 % der Verträge enthalten solche Optionen, aber wenn Sie sie haben, nutzen Sie sie.
  • Bei steigenden Zinsen: Wenn die Marktzinsen höher liegen als Ihr Vertragszins, ist die Entschädigung oft geringer oder null. Die Bank kann keinen Schaden nachweisen, weil sie das Geld billiger wieder anlegen könnte.

Wichtig: Die Zinsbindung beginnt erst mit der vollständigen Auszahlung des Kredits - nicht mit Vertragsunterzeichnung. Viele Kunden irren sich hier. Prüfen Sie Ihren Vertrag genau: Wann wurde das Geld tatsächlich ausgezahlt?

Finanzberater zeigt Kunden eine fehlerhafte Vorfälligkeitsentschädigungsrechnung am Bildschirm.

Steuerliche Auswirkungen der Vorfälligkeitsentschädigung

Die Entschädigung ist nicht nur eine Kostenstelle - sie kann auch steuerlich nützlich sein. Wenn Sie Ihre Immobilie innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb verkaufen, fallen auf den Gewinn Spekulationssteuer an. Aber: Sie dürfen die Vorfälligkeitsentschädigung als Veräußerungskosten abziehen. Das reduziert Ihren steuerpflichtigen Gewinn.

Beispiel: Sie haben die Immobilie für 400.000 Euro gekauft und verkaufen sie für 550.000 Euro. Der Gewinn wäre 150.000 Euro. Dazu kommen 18.000 Euro Vorfälligkeitsentschädigung. Diese 18.000 Euro können Sie von den Einnahmen abziehen - der steuerpflichtige Gewinn sinkt auf 132.000 Euro. Das spart Ihnen je nach Einkommensteuersatz bis zu 5.940 Euro (bei 45 % Steuersatz inkl. Solidaritätszuschlag).

Wichtig: Diese Absetzbarkeit gilt nur, wenn die Immobilie nicht als Gewerbe genutzt wurde und Sie sie selbst bewohnt haben. Wenn Sie sie vermietet haben, gelten andere Regeln. Die Vorfälligkeitsentschädigung ist keine Werbungskosten - sie ist eine Verkaufskostenposition. Das hat der Bundesgerichtshof 2014 klargestellt.

Wie Sie die Entschädigung vermeiden oder senken

Es gibt mehrere Wege, um die Vorfälligkeitsentschädigung zu umgehen - oder zumindest zu minimieren:

  • Warten Sie bis nach 10 Jahren Zinsbindung: Das ist die sicherste Methode. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in deutschen Eigenheimen liegt bei 11,7 Jahren - viele Verkäufe fallen also ohnehin nach Ablauf der Zinsbindung.
  • Prüfen Sie den Vertrag auf Sondertilgungsrechte: Wenn Sie jährlich 5 % tilgen können, senken Sie die Restschuld - und damit auch die Entschädigung. Viele Banken bieten das nicht an, aber einige tun es - besonders bei langfristigen Kunden.
  • Verkaufen Sie innerhalb der ersten sechs Monate: Selten, aber möglich. Wenn Sie die Immobilie kurz nach dem Kauf verkaufen - etwa weil der Job wechselt - können Sie ohne Entschädigung aussteigen.
  • Verwenden Sie einen Schuldnerwechsel: Der neue Käufer übernimmt Ihren Kredit - und Sie bleiben nicht mehr verantwortlich. Aber: Nur etwa 12 % der Banken akzeptieren das. Die Volksbanken sind hier oft flexibler als große Privatbanken.
  • Verhandeln Sie mit der Bank: Rufen Sie nicht einfach die Telefonzentrale an. Sprechen Sie mit dem Kreditbeauftragten. Zeigen Sie ihm die FDH-Studie: 23 % der Entschädigungen sind zu hoch. Bitten Sie um eine schriftliche Berechnung mit detaillierten Zahlen. Oft weichen Banken dann zurück.

Ein Tipp aus der Praxis: Lassen Sie die Berechnung von einem unabhängigen Hypothekenexperten prüfen. Die Kosten dafür liegen bei 150-300 Euro. Bei einer Restschuld von 250.000 Euro sparen Sie im Durchschnitt 2.875 Euro - das ist ein Gewinn von fast 1.800 Euro nach Abzug der Prüfkosten.

Waage mit übertriebenem Bankanspruch und tatsächlichen Schaden, mit Hinweis auf gesetzliche Rechte.

Was ändert sich 2025? Die geplante Reform

Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag vom Dezember 2021 angekündigt, die Vorfälligkeitsentschädigung zu reformieren. Der Entwurf sieht eine Obergrenze von 2 % der Restschuld vor - das wäre eine Senkung um 60 % im Vergleich zu den heutigen Durchschnittswerten. Diese Änderung soll bis 2025 in Kraft treten. Noch ist sie nicht gesetzlich verankert - aber sie zeigt, dass der Druck auf die Banken wächst.

Die Deutsche Bundesbank prognostiziert, dass bis 2025 die Zahl der Fälle, in denen Vorfälligkeitsentschädigungen fällig werden, um 22 % steigen wird. Warum? Weil viele Menschen mit ihren alten 1 %-Krediten jetzt verkaufen, um in neue Immobilien mit günstigeren Zinsen zu ziehen. Die Banken profitieren davon - und viele Kunden zahlen zu viel.

Was tun, wenn die Bank zu viel verlangt?

Sie haben Rechte - und die Bank hat Beweislast.

  • Fordern Sie eine schriftliche, detaillierte Berechnung - mit allen Zahlen, Formeln und Quellen.
  • Prüfen Sie, ob die Bank den aktuellen Marktzins korrekt verwendet. Oft wird ein zu niedriger Zins angesetzt, um die Entschädigung hochzutreiben.
  • Prüfen Sie, ob die verbleibende Laufzeit korrekt berechnet ist. Viele Banken rechnen mit der vollen Zinsbindung - obwohl die Kündigung nach 10 Jahren möglich wäre.
  • Wenn die Berechnung nicht nachvollziehbar ist: Wenden Sie sich an die Verbraucherzentrale. In Baden-Württemberg haben sie schon mehrere Dutzend Fälle erfolgreich geklärt.
  • Wenn nötig: Holen Sie einen Anwalt für Bankrecht hinzu. Ein Schreiben von einem Fachanwalt wirkt oft schneller als ein Brief von Ihnen.

Denken Sie daran: Die Bank darf nicht einfach „nach Gefühl“ rechnen. Sie muss nachweisen, dass sie einen tatsächlichen Verlust hat. Wenn sie das nicht kann, ist die Entschädigung rechtswidrig.

Fazit: Sie sind nicht machtlos

Die Vorfälligkeitsentschädigung ist kein unvermeidliches Übel - sie ist ein Verhandlungspunkt. Viele Eigentümer zahlen sie einfach, weil sie denken, sie hätten keine Wahl. Aber das stimmt nicht. Mit den richtigen Informationen und einer sauberen Prüfung können Sie oft tausende Euro sparen. Nutzen Sie Ihre Rechte. Fordern Sie die Berechnung. Vergleichen Sie mit unabhängigen Quellen. Und wenn nötig: Wenden Sie sich an einen Experten. Wer sich informiert, zahlt nicht mehr als nötig.

Wann fällt keine Vorfälligkeitsentschädigung an?

Keine Entschädigung fällt an, wenn Sie das Darlehen nach Ablauf der ersten zehn Jahre der Zinsbindung ablösen (§ 489 BGB), wenn Sie innerhalb der ersten sechs Monate nach Kreditauszahlung verkaufen, oder wenn die Marktzinsen höher liegen als Ihr Vertragszins - dann hat die Bank keinen Schaden. Auch wenn Sie Sondertilgungen von bis zu 5 % pro Jahr vereinbart haben, kann die Entschädigung reduziert oder ganz entfallen.

Kann ich die Vorfälligkeitsentschädigung steuerlich absetzen?

Ja, wenn Sie die Immobilie innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb verkaufen und sie selbst bewohnt haben, können Sie die Vorfälligkeitsentschädigung als Veräußerungskosten abziehen. Das senkt Ihren steuerpflichtigen Gewinn. Sie dürfen sie nicht als Werbungskosten absetzen - sie zählt nur als Kosten beim Verkauf.

Wie hoch ist die durchschnittliche Vorfälligkeitsentschädigung?

Typisch liegt sie zwischen 5 und 10 % der Restschuld, aber viele Banken berechnen zu viel. Laut FDH-Studie wurden 23 % der Entschädigungen überzogen - mit einer durchschnittlichen Überzahlung von 4.200 Euro pro Fall. Bei einer Restschuld von 300.000 Euro bedeutet das oft 15.000-30.000 Euro - aber oft nur 8.000-12.000 Euro wären korrekt.

Was ist ein Schuldnerwechsel und hilft er?

Beim Schuldnerwechsel übernimmt der neue Käufer Ihren Kredit - Sie sind dann nicht mehr schuldenpflichtig. Das vermeidet die Vorfälligkeitsentschädigung. Aber: Nur etwa 12 % der Banken akzeptieren das. Die meisten verlangen trotzdem die Entschädigung, weil sie das Risiko nicht übernehmen wollen. Es lohnt sich, danach zu fragen - aber erwarten Sie keinen Erfolg.

Warum steigen die Vorfälligkeitsentschädigungen aktuell?

Weil viele Kredite aus der Niedrigzinszeit (2015-2021) mit Zinssätzen unter 1 % laufen. Heute liegen die Marktzinsen bei über 3,5 %. Die Banken verlieren durch Ihre vorzeitige Ablösung viel Geld - und berechnen daher hohe Entschädigungen. Die Zinsdifferenz ist groß, die Restlaufzeit oft noch lang - das führt zu hohen Beträgen.

Sollte ich meine Immobilie verkaufen, um einen günstigeren Kredit zu bekommen?

Nur, wenn die Vorfälligkeitsentschädigung niedriger ist als die Einsparung durch den neuen Kredit. Rechnen Sie genau: Zinsdifferenz × Restschuld × verbleibende Jahre = Einsparung. Abzüglich der Entschädigung = Gewinn. Wenn die Entschädigung höher ist als die Einsparung, lohnt es sich nicht. Viele Menschen machen diesen Fehler - sie denken, niedrigere Zinsen bedeuten immer Gewinn. Das stimmt nicht, wenn die Entschädigung zu hoch ist.