Korrosion in Wasserleitungen: Ursachen, Folgen und was Sie jetzt tun müssen

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Bräunlich verfärbtes Wasser morgens nach dem Aufstehen? Ein metallischer Geschmack im Glas? Ein plötzlicher Druckabfall beim Duschen? Das ist kein Zufall. In vielen deutschen Häusern, besonders in Altbauten, arbeitet die Wasserleitung wie eine langsam zerfallende Maschine. Die Ursache: Korrosion. Und sie ist nicht nur unschön - sie ist gefährlich, teuer und oft vermeidbar.

Warum rostet Ihre Wasserleitung?

Korrosion ist kein Zufall, sondern eine chemische Reaktion. Wasser, das durch Metallrohre fließt, löst kleine Mengen des Metalls heraus - besonders wenn es weich ist. In Deutschland ist das ein großes Problem. Etwa 40 % der Wohngebäude sind älter als 40 Jahre. Viele davon haben noch verzinkte Stahlrohre, die in den 60er und 70er Jahren verbaut wurden. Diese Rohre sind heute oft am Ende ihrer Lebensdauer.

Das Problem wird schlimmer, wenn das Wasser weich ist. Im Bergischen Land oder in Teilen Westfalens liegt die Wasserhärte bei nur 2-3°dH. Solches Wasser enthält kaum Kalk und bildet keine schützende Schicht im Inneren der Rohre. Stattdessen greift es das Metall direkt an. Das Ergebnis: Rost, der sich ablöst und das Wasser färbt. In Süddeutschland hingegen, wo das Wasser mit 15-20°dH hart ist, bildet sich eher Kalkstein - das ist ein anderes Problem, aber weniger gefährlich für die Rohrwände.

Ein weiterer Killer ist die falsche Materialkombination. Wenn Kupferrohre direkt nach verzinkten Stahlrohren verbaut werden - und das passiert oft bei Sanierungen - entsteht galvanische Korrosion. Kupfer ist edler als Eisen. Im Wasser, das als Elektrolyt wirkt, fließen Elektronen vom Eisen zum Kupfer. Das Eisen löst sich auf. Der Stahlrohr wird von innen ausgehöhlt, das Kupferrohr bekommt Löcher. Die Deutsche Norm DIN 50930 nennt das einen klaren Verstoß gegen die „Fließregel“. Doch viele Installateure ignorieren sie - aus Unwissenheit oder weil sie Zeit sparen wollen.

Was passiert, wenn Korrosion nicht erkannt wird?

Die Folgen sind nicht nur ästhetisch. Sie sind lebenswichtig.

Erstens: Das Wasser wird ungenießbar. Rostpartikel machen es trüb, geben ihm einen metallischen Beigeschmack und verstopfen Filter und Armaturen. Zweitens: Die Rohre lecken. Punktuelle Korrosion, auch „Lochfraß“ genannt, frisst kleine Löcher in die Wände. Diese Löcher sind schwer zu finden - sie entstehen oft hinter Wänden oder unter Fußböden. Ein kleiner Leckage kann über Monate unbemerkt bleiben, bis die Wand feucht wird oder der Boden nachgibt.

Drittens: Bakterien wachsen. Rost und Kalkablagerungen bilden ideale Nistplätze für Legionellen. Die Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) fand 2022, dass in 32 % der Gebäude mit korrodierten Leitungen die Grenzwerte für Legionellen überschritten wurden. Das ist kein theoretisches Risiko. Legionellen verursachen schwere Lungenentzündungen - besonders bei älteren Menschen oder Personen mit geschwächtem Immunsystem.

Viertens: Schwermetalle gelangen ins Trinkwasser. Korrosion löst Kupfer, Blei und Zink aus den Rohren. Die Trinkwasserverordnung schreibt seit 2011 einen Grenzwert von 2,0 mg/L Kupfer vor. In vielen Altbauten wird dieser Wert überschritten - besonders nach längerer Standzeit, wie am Morgen nach einer Nacht ohne Wasserentnahme. Blei ist noch gefährlicher. Obwohl Bleirohre seit den 70ern verboten sind, finden sich noch heute in alten Hausanschlüssen oder in alten Fittings Spuren davon.

Welche Materialien sind wirklich sicher?

Nicht alle Rohre sind gleich. Ein Vergleich zeigt klare Unterschiede:

  • Verzinkter Stahl: Lebensdauer 25-30 Jahre bei weichem Wasser. In der Praxis oft weniger. Rostet, verengt sich, löst Schwermetalle.
  • Kupfer: Hält 40-50 Jahre - aber nur, wenn es richtig verbaut wird. Bei falscher Kombination mit Stahl bricht es innerhalb von 18 Monaten zusammen.
  • PEX (vernetztes Polyethylen): Nahezu korrosionsfrei. Lebensdauer über 50 Jahre. Verträgt Temperaturen bis 70°C. Wird von der DVGW seit 2023 explizit für Sanierungen empfohlen.
  • PVC-U: Auch korrosionsfrei, aber nur für Kaltwasser. Bei Warmwasser wird es spröde.

Die klare Botschaft: Kunststoffrohre sind heute die sicherste Wahl. Sie verhindern Korrosion, reduzieren das Risiko von Legionellen und sind kostengünstiger als Kupfer. Ein PEX-Rohr kostet 8-10 € pro Meter, Kupfer 12-15 €. Die Installation ist schneller, der Lärm geringer, und es gibt keine galvanischen Risiken.

Querschnitt einer korrodierten Stahlrohrleitung neben einer modernen PEX-Rohrleitung mit galvanischer Korrosion an der Verbindung.

Wie erkennen Sie, dass Ihre Leitung korrodiert ist?

Sie müssen nicht auf einen Rohrbruch warten. Hier sind die fünf deutlichsten Anzeichen:

  1. Bräunlich bis rötlich gefärbtes Wasser - besonders nach längerer Standzeit (z. B. am Morgen oder nach Urlaub).
  2. Metallischer Geschmack - selbst nach dem Durchlaufen des Wassers bleibt er im Mund.
  3. Druckabfall - die Dusche fließt schwach, obwohl der Wasserzähler normal läuft.
  4. Verstopfte Armaturen oder Filter - Kalkfilter oder Durchlauferhitzer verstopfen schneller als sonst.
  5. Feuchtigkeit an Wänden oder Fußböden - ohne sichtbare Ursache, besonders in Badezimmern oder unter Küchen.

Wenn Sie zwei oder mehr dieser Anzeichen haben, ist eine professionelle Prüfung dringend nötig. Ein einfacher Test: Füllen Sie ein klares Glas mit kaltem Wasser aus dem Hahn. Warten Sie 5 Minuten. Wenn sich am Boden braune Partikel absetzen - dann ist Korrosion wahrscheinlich.

Was tun? Sanierung oder Reparatur?

Ein einzelnes Leck zu flicken ist keine Lösung. Es ist wie ein Pflaster auf eine gebrochene Rippe zu kleben. Die Korrosion ist ein Systemproblem.

Die einzige dauerhafte Lösung ist die Sanierung der gesamten Trinkwasserinstallation. Das bedeutet: Alle metallischen Rohre - egal ob Stahl, Kupfer oder Blei - werden durch moderne Kunststoffrohre ersetzt. Die DVGW empfiehlt seit 2023 explizit PEX oder PVC-U für solche Sanierungen. Die Arbeiten müssen von einem zertifizierten Installateur nach DVGW-Arbeitsblatt W 551 durchgeführt werden. Wer das nicht tut, handelt nicht nur unprofessionell - er verstößt gegen die Trinkwasserverordnung.

Die Kosten liegen zwischen 8.000 und 15.000 Euro für ein Einfamilienhaus. Das klingt viel. Aber im Vergleich zu den Folgekosten - Reparaturen an Möbeln, Böden, Wänden, medizinische Behandlungen bei Legionelleninfektionen, Mietminderungen oder Wertverlust der Immobilie - ist es eine Investition. Und: Die EU verschärft ab 2025 die Grenzwerte für Kupfer und Blei. Wer jetzt nicht sanieren lässt, wird später gezwungen sein - und zahlt dann noch mehr.

Installateur ersetzt alte Metallrohre durch moderne PEX-Rohre in einem deutschen Haus, Smartphone zeigt Wasserqualitätswarnung an.

Die Zukunft: Digitalisierung und Gesetzgebung

Die Zeiten, in denen man nur auf Lecks wartete, sind vorbei. Das Fraunhofer-Institut testet seit 2022 Sensoren, die Korrosionsprozesse in Echtzeit messen. Diese Geräte können in Wasserleitungen eingebaut werden und senden Warnmeldungen an das Smartphone des Hausbesitzers, wenn sich Metallanteile erhöhen oder der pH-Wert kippt. Das ist keine Zukunftsmusik - das ist bald Standard.

Auch die Gesetze ziehen nach. Die Trinkwasserverordnung wird bis 2025 weiter verschärft. Die Europäische Union will die Grenzwerte für Kupfer und Blei noch strenger festlegen. Der Markt für Rohrsanierungen wächst jährlich um 4,2 %. Im Jahr 2022 betrug das Volumen bereits 1,8 Milliarden Euro. Und das ist nur der Anfang. 2,3 Millionen Gebäude in Deutschland brauchen dringend eine Sanierung - ein Sanierungsstau von 18 Milliarden Euro.

Dr. Markus Richter vom DIN prognostiziert: Bis 2040 wird es keine neuen metallischen Wasserleitungen mehr geben. Die Technik ist einfach zu gut. Die Kosten sinken. Die Risiken sind zu hoch.

Was Sie jetzt tun können

1. Prüfen Sie Ihr Wasser: Füllen Sie ein Glas und beobachten Sie. Suchen Sie nach Rostpartikeln oder metallischem Geschmack.

2. Prüfen Sie das Alter Ihrer Leitungen: Wenn Ihr Haus vor 1980 gebaut wurde, sind die Rohren höchstwahrscheinlich verzinkter Stahl.

3. Bestellen Sie eine Trinkwasseruntersuchung: Ein akkreditiertes Labor prüft auf Kupfer, Blei, Eisen und Legionellen. Die Kosten: 150-250 Euro. Ein Preis, der Ihr Gesundheitsrisiko klärt.

4. Sprechen Sie mit einem zertifizierten Installateur: Fragen Sie nach PEX-Systemen. Fragen Sie nach der Fließregel. Fragen Sie, ob er nach DVGW W 551 arbeitet.

5. Planen Sie die Sanierung: Je früher, desto günstiger. Heute ist die Technik besser, die Preise stabiler. In fünf Jahren wird es teurer - und die Gesetze strenger.

Korrosion in Wasserleitungen ist kein unvermeidbares Schicksal. Sie ist ein technisches Problem - und technische Probleme haben technische Lösungen. Wer jetzt handelt, spart Geld, schützt seine Gesundheit und bewahrt den Wert seiner Immobilie.